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Die ostdeutsche Transformation der Landwirtschaft – ein Rückblick nach 30 Jahren

Die Teilnehmer*innen im Gespräch
(Foto: Inge Bieler)
21.03.2024
Forst- und Agrarwirtschaft

Kolleg*innen der Hans-Böckler-Stiftung und des PECO-Instituts diskutierten mit gewerkschaftlichen Zeitzeuginnen und -zeugen über die Transformation der Landwirtschaft in Ostdeutschland und was wir aus diesem Prozess für die Zukunft lernen können.

"Der ostdeutsche Agrarbereich 1989 - 2000" ist ein Forschungsprojekt unserer "Satelliten-Organisation" PECO-Institut e.V., gefördert durch die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung (HBS). Vor diesem Hintergrund diskutierten das Projektteam und eine Kollegin der HBS mit fünf Gewerkschafter*innen über den Transformationsprozess der DDR-Landwirtschaft in die westdeutschen marktwirtschaftlichen Strukturen, sowie die Integration der DDR-Gewerkschaft Land, Nahrungsgüter und Forst (GLNF) in die westdeutsche Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft (GGLF). Wie verlief die Umstrukturierung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und der Verkauf der volkseigenen Güter (VEG) durch die Treuhandanstalt?

Klaus Jeremies berichtete über die Lohnfindungen in der DDR-Landwirtschaft, den Diskussionen zwischen der GLNF im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) und dem zuständigen Ministerium beziehungsweise der staatlichen Plankommission. Karl-Michael Bormann wies daraufhin, dass es in den LPGen nicht nur Genossenschaftsbäuer*innen gab, sondern auch "normale" Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von der GLNF vertreten worden sind. Da diese Beschäftigten nur selten den Weg in die ab dem 1. Oktober 1990 gesamtdeutsche GGLF fanden, konnten sie nur unzureichend vor den sozialen Folgen der Umstrukturierung geschützt werden.

Peter Hinze beschrieb die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe in der Wendezeit: Die LPGen und VEG hatten, häufig per Vertrag mit der Kommune, auch vielfältige kommunale Aufgaben wie den Betrieb von Kindergärten, Betriebsküchen, Schneeberäumung, Wohnungsversorgung für die Beschäftigten. Die dort Beschäftigten wurden, so sie nicht von einem Sozialtarifvertrag erfasst oder von der Gewerkschaft betreut worden sind, ohne Abfindung entlassen.

Ein weiterer Schwerpunkt des Expertengesprächs war die Arbeit der GGLF in Zeiten der Transformation, insbesondere bei den Staatsgütern. Unser Beiratsmitglied Astrid Gehrke hat die Umstrukturierung bei den Berliner Stadtgütern als Betriebsrätin erlebt. Das Land Berlin, einst der größte landwirtschaftliche Betrieb Deutschlands, hat damals viele landwirtschaftliche Flächen auf 50 Jahre verpachtet. Das wurde von ihr heftig kritisiert, da das Land Berlin heute, im Zeichen verstärkter Anstrengungen für Ökologie, Klimaschutz und soziale Aspekte in der Landwirtschaft, für mehrere Jahrzehnte keine Einflussmöglichkeiten mehr auf Flächen und Betriebe hat. Positiv bewertete sie den Qualifizierungsfonds Land- und Forstwirtschaft (QLF). Mit dieser Förderung konnten gemeinsam zwischen Betriebsrat, Gewerkschaft und Geschäftsführung eine Weiterbildung zum Immobilienkaufmann beziehungsweise zur Immobilienkauffrau durchgeführt werden, von der viele Kolleg*innen noch heute profitieren.

Kätchen Nowak kritisierte in Bezug auf den Qualifizierungsfond die Arbeitgeberverbände in der Land- und Forstwirtschaft. Sie haben den tarifvertraglich vereinbarten QLF nach 2000 nicht mehr verlängert.  Sie wollten nicht, dass die Gewerkschaft berufliche Bildungsmaßnahmen selbst anbot und durchführte.

Neben dem Aspekt, der Wissenschaft zu dienen, gab es große Freude bei den Kolleginnen und Kollegen, sich einmal wieder zu treffen und bei einem abendlichen Bier miteinander zu diskutieren.