steinbacher forum
©IG BAU
22.05.2019
Steinbacher Forum

Das 9. Steinbacher Forum beschäftigte sich mit gewerkschaftsfeindlichen Strategien von Arbeitgebern – Union Busting. Zu Gast waren die Jessica Reisner und Elmar Wigand von die aktion ./.arbeitsunrecht e.V., die mit ihrer Arbeit branchenübergreifend Kolleg*innen unterstützen, sich gegen Union Busting zur Wehr zu setzen.

Der gesellschaftliche Konsens der sozialen Marktwirtschaft, dass die Sozialpartner auf Augenhöhe die Belange der Beschäftigten gemeinsam regeln, bröselt und richtet sich vor allem gegen aktive Betriebsräte, die mit ihrer Belegschaft, wirkliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreichen wollen.

Unternehmerische Freiheit versus unternehmerische Willkür

Die Maßnahmen, die dabei von Unternehmer*innen ergriffen werden, rutschen zunehmend ins kriminelle Feld ab und richten sich gegen einzelne Betriebsratsmitglieder oder Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen möchten. Dabei geht es Arbeitgeber*innen nicht um die sachliche Auseinandersetzung, sondern um die Einschüchterung und psychische Zermürbung einzelner, die ein Exempel für alle anderen statuieren sollen. Angst ist ein wesentliches Mittel, dass hier gezielt eingesetzt wird, um Belegschaften zu spalten und einzelne Vorkämpfer*innen sozial zu isolieren.

Gedankliche Grundlage für dieses Vorgehen ist, dass die unternehmerische Freiheit durch Mitbestimmung und die Organisation der Beschäftigteninteressen nicht eingegrenzt werden dürfe. Jessica Reisner und Elmar Wigand von die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. sprachen daher eher vom Schutz unternehmerischer Willkür durch Union Busting. Denn ein solches Denken ignoriert

Dabei erhalten Unternehmen Unterstützung von vielerlei Faktoren

Private Dienstleister*innen:
Es gibt einen wachsenden Dienstleistungsbereich, den Arbeitgeber*innen in Anspruch nehmen. Dazu gehören Anwaltskanzleien im Arbeitsrecht, die sich darauf spezialisiert haben, für 300 Euro pro Stunde die Grauzonen im gesetzlichen Bereich der Mitbestimmung gezielt gegen Betriebsräte zu nutzen.

Dazu gehören auch Detekteien, die Beschäftigte im Privaten ausspionieren. Als Folge werden Dienstpläne so geschrieben, dass das Kümmern um Kinder oder zu pflegende Angehörige unmöglich wird. Oder es werden sogar Diebstähle fingiert, um sie kündigen zu können.

Bei der Auseinandersetzung um bessere Arbeitsbedingungen im Unternehmen spielt der Kampf um die Informationsmacht eine wichtige Rolle. Es werden Medienanwälte genutzt, um gegen Öffentlichkeitsarbeit zu gewerkschaftsfeindlichem Verhalten vorzugehen. Gleichzeitig stellen PR-Agenturen das Unternehmen als besonders mitarbeiter*innenfreundlich dar. Dabei ist es nicht leicht für Außenstehende und die Beschäftigten im Unternehmen Wahrheit und fingierte Wirklichkeit auseinanderzuhalten.

Dazu gehören auch Industriesoziologen, die vermeintlich neutral und wissenschaftlich, Umfragen unter den Beschäftigten zu ihren Arbeitsbedingungen durchführen und dabei dem Unternehmer zufriedenstellende Antworten liefern, die Verbesserungen durch einen aktiven Betriebsrat nicht nötig erscheinen lassen. Als Nebenprodukt liefern sie ein Profiling der Mitarbeiter*innen ab, das es ermöglicht, potentielle „Querulant*innen“, „Individuen mit schwierigem Charakter“ oder Gewerkschaftsmitglieder zu identifizieren.

Nicht zu Letzt spielen Unternehmensberatungen eine große Rolle, da diese gezielt zu Unternehmensstrukturen raten, die eine Zersplitterung der Betriebsratsgremien zur Folge haben, so dass es schwierig wird, als Betriebsrat einheitliche Interessen der Beschäftigten zu vertreten oder auch nur mit den Beschäftigten oder unter den Betriebsräten zu kommunizieren.

Arbeitsgerichte, die Zeit und schwierige Strafverfolgung
Ein wesentliches Mittel beim Spiel gegen Betriebsräte und gewerkschaftliche Organisation ist der Faktor Zeit. Wenn es zu Prozessen vor dem Arbeitsgericht kommt, ist es von vorneherein klar, dass diese zugunsten der Arbeitnehmer*innen ausgehen.

Jedoch ziehen sich die Prozesse so lange hin, dass sich Beschäftigte Monate lang unrechtmäßig ohne Gehaltsbezüge wiederfinden oder in einem ungeklärten Arbeitsverhältnis stehen. Ein Grund für die langen Gerichtsprozesse ist, dass Arbeitsrichter*innen ihren Prozessplan selbst gestalten und über die Hälfte weitere Einkünfte durch außergerichtliche Aktivitäten bezieht (z.B. Workshops zu Arbeitsrecht, Vorträge etc.).

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Struktureller Rahmen
Seit Ende der 1990er Jahre hat sich durch die Obsession der unbedingten Deregulierung in den Rahmenbedingungen für Mitbestimmung vieles zu Ungunsten der Beschäftigten entwickelt.

Befristungen, ausufernde Werkverträge, Leiharbeit, Minijobs oder Subunternehmerketten erschweren es, dass sich Beschäftigte gemeinsam organisieren können.

Ein ganz wesentliches Problem ist die Möglichkeit, permanent Unternehmen umzustrukturieren, zu zerstückeln und outzusourcen. Oft genug erfolgt das nicht nur auf Grund wirtschaftlicher Maximen, sondern es geht darum, eine einheitliche Vertretung von Beschäftigten zu verhindern. – Ständige Umstrukturierung ist übrigens auch ein Instrument der „indirekten Steuerung“, wo es darum geht, Beschäftigte ständig zur Neuorientierung und höherer Eigenverantwortlichkeit zu treiben. Das führt zu mehr Produktivität und mehr Unübersichtlichkeit, bei der kollektive, solidarische Aktivitäten erschwert werden.

Alle diese Rahmenbedingungen treffen für die Branchen der IG BAU zu und sind dort stark verbreitet. So war auch kein*e Besucher*in auf dem Steinbacher Forum, die*der nicht selbst schon eigene Erfahrungen mit betriebsratsfeindlichen Arbeitgeber*innen gemacht hat. Vom Vorenthalten von Informationen, über Einsperren in fensterlosen Räumen und dem Einsatz von Privatdetektiven sowie sozialer Isolation war alles dabei.

Gegenstrategien

Im zweiten Teil des Steinbacher Forums ging es um die möglichen Antworten auf Union Busting. Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. hat aus verschiedensten Branchen viele Erfahrungen sammeln können. Es lag auf der Hand, dass Strukturen, Geld, Macht, Recht und Informationen in diesen Auseinandersetzungen nicht zu Gunsten von Gewerkschaft oder Betriebsräten verteilt sind. Oftmals muss man schon mit Teilerfolgen zufrieden sein. Das heißt aber nicht, dass Gewerkschaften und Betriebsräte Union Busting machtlos gegenüber stehen.

Die wichtigsten Erkenntnisse waren:

  • Als Betriebsrat ist es wichtig, nicht FÜR die Kolleg*innen zu streiten, sondern MIT ihnen. Das schafft einen anderen Zusammenhalt, wenn es darauf ankommt. Zudem erleichtert es, die verzerrten Wahrheiten, die die Arbeitgeber im Unternehmen streuen, gerade zu rücken. Denn wenn die Kolleg*innen wissen, was der Betriebsrat getan oder nicht getan hat, sind sie nicht so schnell für die Sicht de*r Arbeitgeber*innen einzunehmen.
  • Gibt es erste Anzeichen oder stehen Zweifel im Raum, ob die Arbeitgeber*innen sich regelkonform verhalten, gilt es SOFORT Unterstützung bei Gewerkschaft oder durch externe Beratung (wie arbeitsunrecht e.V.) zu holen.
  • Agieren statt Reagieren. Betriebsratsarbeit muss sich selbst ein Ziel setzen, was sie im Betrieb/Unternehmen erreichen will. Tut der Betriebsrat das nicht, ist er nur als Feuerwehr unterwegs und wird vom Arbeitgeber vor sich her getrieben. Die Kündigung hier, die Arbeitszeitüberschreitung da, die Einstellung des Leiharbeiters da, die Abmahnung hier etc. Der Betriebsrat kommt dann gar nicht dazu,  strukturelle Verbesserungen anzugehen, von denen alle was haben.
  • Ansonsten ist eine gründliche Recherche eine wesentliche Voraussetzung für Gerade wenn es um Neugründungen geht

Das nächste Steinbacher Forum findet am 26. Oktober 2019 statt.

Werner Rügemer, Elmar Wigand
Union-Busting in Deutschland
Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften
als professionelle Dienstleistung
Eine Studie der Otto Brenner Stiftung
Frankfurt/Main 2014